Einblicke in den Zertifikats-Dschungel
Ob B Corp, EcoVadis oder die Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) – sie alle versuchen, Nachhaltigkeit messbar zu machen, Orientierung zu geben, Vertrauen nach außen zu schaffen und Fortschritte sichtbar zu machen.
In dieser Ausgabe geben wir Dir einen Überblick über die wichtigsten Ansätze, ihre Unterschiede – und darüber, was zu wem passt.
Wozu überhaupt eine Nachhaltigkeitszertifizierung?
Immer mehr Unternehmen beschäftigen sich mit Nachhaltigkeitszertifizierungen bzw. -bewertungen – und das aus gutem Grund. Ob im Rahmen von Ausschreibungen, in der Zusammenarbeit mit Kund:innen oder zur eigenen Standortbestimmung: Nachweise schaffen Sichtbarkeit, Orientierung und Vertrauen. Sie zeigen, dass Nachhaltigkeit nicht nur ein Lippenbekenntnis ist, sondern konkret gelebt wird.
Gerade für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) können Zertifikate ein strategisches Werkzeug sein – zum Beispiel um Nachhaltigkeit systematisch anzugehen, externe Anforderungen zu erfüllen oder sich glaubwürdig im Markt zu positionieren. Auch wenn diese Ansätze stets nur einzelne Facetten von Nachhaltigkeit abbilden, können sie dennoch die Grundlage für einen sinnvollen Entwicklungsprozess mit nachvollziehbarer Wirkung bilden.
EcoVadis – Nachhaltigkeit messbar machen
Im Unterschied zu klassischen Zertifizierungen ist EcoVadis ein Bewertungssystem, das die Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen entlang internationaler Standards erfasst. Statt eines Siegels gibt es ein Rating, das von Bronze bis Platin reicht – und zunehmend in Lieferkettenentscheidungen eine Rolle spielt.
Bewertet werden vier Themenfelder: Umwelt, Arbeits- und Menschenrechte, Ethik sowie nachhaltige Beschaffung. Unternehmen beantworten dafür einen detaillierten Fragebogen, der durch Dokumentenprüfungen ergänzt wird. Das Ergebnis ist ein Score, der nicht nur intern Orientierung gibt, sondern auch auf der EcoVadis-Plattform mit Geschäftspartner:innen geteilt werden kann.
Besonders relevant ist EcoVadis für KMU, die als Lieferanten für größere Unternehmen arbeiten – z. B. im Rahmen von ESG-Due-Diligence oder Ausschreibungen. Der Aufwand ist überschaubar, aber nicht zu unterschätzen: Wer sich gut vorbereitet, z. B. mit klaren Richtlinien und Reportingstrukturen, kann deutlich besser abschneiden – und seine Nachhaltigkeitsleistung gezielt verbessern.
Mehr Details zur EcoVadis Bewertung erfährst Du in unserem Wissensbeitrag.
B Corp – Haltung zeigen, Wirkung belegen
Die B Corp-Zertifizierung gilt als eines der bekanntesten Siegel für ganzheitliche Unternehmensverantwortung. Bewertet wird nicht nur ein einzelnes Produkt oder eine Maßnahme, sondern die gesamte Organisation – von der Lieferkette über Mitarbeitende bis zur Governance. Ziel ist es, Unternehmen sichtbar zu machen, die wirtschaftlichen Erfolg mit gesellschaftlichem Mehrwert verbinden.
Bisher beruht die Zertifizierung auf einem Punktesystem, das in fünf Wirkungsbereichen bewertet: Governance, Mitarbeitende, Kund:innen, Gemeinschaft und Umwelt. Wer mindestens 80 von 200 möglichen Punkten erreicht, kann den Zertifizierungsprozess durchlaufen – inklusive externer Prüfung und rechtlicher Verankerung eines gemeinwohlorientierten Unternehmenszwecks.
Ab 2025 stellt B Corp sein System grundlegend um. Dann gelten verbindliche Mindestanforderungen in sieben zentralen Themenfeldern. Das neue Modell ersetzt das bisherige Punktesystem und setzt stärker auf Verbindlichkeit und Standardisierung.
Mehr zu den neuen Standards erfährst Du in unserem Blogartikel.
Gemeinwohl-Ökonomie – Wirtschaften mit Haltung
Die Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) ist kein klassisches Zertifikat, sondern ein alternatives Wirtschaftsmodell. Es misst unternehmerischen Erfolg nicht an Umsatz oder Rendite, sondern am Beitrag zum Gemeinwohl – etwa durch Menschenwürde, ökologische Verantwortung, Mitbestimmung und soziale Gerechtigkeit.
Zentrales Instrument ist die Gemeinwohl-Bilanz, die Unternehmen freiwillig erstellen können. Bewertet wird, wie sich das Unternehmen in seinen Beziehungen zu Mitarbeitenden, Kund:innen, Lieferant:innen und dem gesellschaftlichen Umfeld verhält. Der Bilanzprozess ist anspruchsvoll, bietet aber tiefgehende Reflexion und echte Entwicklungsimpulse.
Die GWÖ eignet sich besonders für Organisationen, die ihr Geschäftsmodell konsequent wertebasiert ausrichten wollen – unabhängig von externen ESG-Vorgaben. Sie ist damit weniger ein strategisches Werkzeug für Ausschreibungen, sondern eher ein innerer Kompass für sinnorientiertes Wirtschaften.
Vergleich der Ansätze – Was passt zu wem?
Ob B Corp, EcoVadis oder Gemeinwohl-Ökonomie – jede Bewertung oder Bilanz verfolgt einen eigenen Zweck. Der Vergleich zeigt: Es gibt kein „besser“ oder „schlechter“, sondern unterschiedliche Ansätze für unterschiedliche Bedürfnisse.
B Corp ist ideal für Unternehmen, die sich ganzheitlich transformieren wollen – mit klaren Leitplanken, internationaler Sichtbarkeit und einer starken Community. Besonders interessant für solche, die Nachhaltigkeit strategisch in ihr Geschäftsmodell integrieren wollen.
EcoVadis richtet sich vor allem an Unternehmen, die in Lieferketten oder B2B-Kontexten bestehen müssen. Hier geht es weniger um ein Label, sondern um ein extern nachvollziehbares Scoring – und um die Möglichkeit, gezielt ESG-Anforderungen zu belegen.
GWÖ wiederum ist der richtige Weg für Organisationen, die von innen heraus verantwortungsvoll wirtschaften wollen – mit einer starken ethischen Basis und einem Fokus auf Gemeinwohlbeitrag statt Marktlogik. Nicht als Marketingsiegel gedacht, sondern als gelebte Haltung.
Unser Tipp: Wer gerade erst einsteigt, sollte sich fragen: Was will ich mit der Zertifizierung (oder Bewertung) eigentlich erreichen?
Fazit zum Thema Zertifizierung
Zertifizierungen sind (genau wie Nachhaltigkeitsberichte) kein Selbstzweck – aber sie können starke Hebel sein, wenn sie zum eigenen Weg passen. Unser Eindruck aus unserer Arbeit als Beratung: Wer Klarheit über Ziele, Wirkung und Ressourcen hat, trifft die besseren Entscheidungen.
Unternehmen sollten vor der Entscheidung für eine Zertifizierung unbedingt klären,
- Was ist eigentlich unser Ziel damit?
- Geht es um Sichtbarkeit?
- Um Ausschreibungen?
- Oder um interne Weiterentwicklung?
Viele Unternehmen springen zu schnell auf ein Siegel, ohne zu prüfen, ob es wirklich zum eigenen Kontext passt. Eine ehrliche Standortbestimmung am Anfang spart später viel Frust.